Pferde sind Herdentiere, die fortwährend nach Kontakt und Anschluss suchen. Eine Herde ist sozial klar strukturiert und jedes Pferd erhält den Platz, den es einfordert und auch ausfüllen kann. Dabei kennen Pferde keine Behinderungen oder Erkrankungen, sondern erfassen ausschließlich das persönliche Vermögen des einzelnen Herdenmitgliedes. Davon hängt ab, welche Verantwortung dieses Mitglied für die Herde übernehmen kann und welche Freiheiten ihm im Gegenzug dafür zustehen. Dieser Platz ist veränderbar und steht keinem Pferd dauerhaft zu.

Einen Platz in der Gesellschaft zu haben, der die Fähigkeiten und Stärken, aber auch die Schwächen, Unsicherheiten und Potenziale berücksichtigt, ist nicht nur ein „pferdiges“, sondern auch ein menschliches Grundbedürfnis. Menschen und Pferde haben also die gleiche Ausgangsbasis: das Bestreben, einen Platz zu finden, der in einen sozialen Rahmen integriert ist und langfristig die Grundlage für Sicherheit und Wohlbefinden bedeutet. Ein Streben, das, wenn es erfüllt ist, einen geschützten Raum zur Entwicklung der Persönlichkeit bietet.

Im Gegensatz zum Menschen sind Pferde dabei im sozialen Kontakt immer an der aktuellen Situation orientiert. Sie verfolgen in der Begegnung keine übergeordneten, langfristigen Ziele. Sie bevorzugen oder benachteiligen nicht, sie agieren nicht absichtsvoll helfend oder schadend, sondern ausschließlich artgerecht in der unmittelbaren Situation. In der Begegnung sind sie ein wertneutraler Partner, der sein Befinden unverfälscht zum Ausdruck bringt. Das Pferd, in dieser Funktion als Co-Therapeut, bietet mir als Therapeutin die Möglichkeit, dieses wertneutrale Verhalten objektiv in Bezug zu Ihrem subjektiven Erleben und Befinden zu setzen.